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150 Jahre GroßMutter

Mittwoch um 10! am Lichtmesstag, 2. Februar 2022
Heute gedenke ich meiner Großmutter, meiner geliebten Oma Maria Emter, geborene Gloning,

die heute vor genau 150 Jahren in Pfahlheim bei Ellwangen geboren wurde. An Lichtmess 1872!

Sie kam als letztes von 11 Kindern. Als sie ein viertel Jahr alt war, brannte der elterliche Hof ab.

In der Not wurde das kleine Mädchen zu kinderlosen Verwandten gebracht. Der Pflegevater war wohlhabender, angesehener Schultheiß am SchönenBerg.

Als Marias Heimat wieder aufgebaut war, war es keine Frage, dass sie bei den Secklers blieb und dort wohlbehütet aufwuchs. Nach der Schulzeit wollte und durfte sie „etwas lernen“ im Kloster Bonlanden im Allgäu, für damalige Verhältnisse ein abenteuerlich weit entfernter StudienAufenthalt. Der gefiel ihr so gut , dass sie beschloss, zu Hause ihre Dinge zu ordnen, um dann als Novizin wieder zu kommen.

Ellwangen ist gekrönt von zwei Bergen, dem SchönenBerg mit der Wallfahrtskirche und dem benachbarten Schlossberg. Als Maria, wieder daheim, am Sonntag in die Kirche ging, nahm sie mit ihren Eltern auf der linken Seite im Chorgestühl Platz. Gegenüber auf der rechten Seite hatten die Schlossbewohner ihren Platz – und da hatte sich ein junger, ansehnlicher, neuer Gutsverwalter eingefunden. Der entdeckte mit großem Wohlgefallen Maria, die ihrerseits nur kurze Zeit so tun konnte, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Und so kamen sie sich bald und zielstrebig näher – und eine große Liebe nahmen ihren Lauf.
Kloster und Noviziat wurden verworfen, Maria und Johannes feierten Hochzeit. Bald zogen sie ins Schloss Achstetten bei Biberach, wo Johannes seine Arbeit als gräflicher Gutsverwalter begann. Maria empfing und gebar ziemlich im Jahrestakt zwei Buben und zwei Mädchen. Die fünfte, Hildegard, meine Mutter, war ein dreiviertel Jahr, als Johannes an einer Lungenentzündung kurz und bündig starb. Die Entdeckung von Penicillin sollte noch ein paar Jahre dauern!

Maria blieb mit den fünf Kindern völlig verzweifelt zurück. Sie zog zu ihrer ältesten Schwester nach Pfahlheim, dort mit ihren Kindern liebevoll aufgenommen. Gerade als sie anfing, einigermaßen wieder ins Leben zurückzufinden, starb diese Schwester.

Und Maria zog mit ihren Kindern nach Ellwangen, damit die Buben das „Gymnasium für Knaben“ besuchen konnten. Der erste Weltkrieg tobte. Zum Glück waren sie für das inzwischen aktuelle SoldatenLeben noch zu jung. Auch die Mädchen durften alle was lernen, Marie die älteste Köchin, Anne, die nächste Kinderpflegerin und Hildegard Modistin. So hatte der Krieg die „alleinerziehende Mutter“, für die eine neue Ehe überhaupt nicht infrage kam, verschont.
Maria hatte von ihren SecklerEltern Äcker und Wald geerbt. Die hatte sie verpachtet. Nach viel Ärger mit den Pächtern riet ihr ein Freund von Johannes, den Grundbesitz zu verkaufen, froh zu sein, ein bisschen Geld für sich und ihre Kinder zur Verfügung zu haben. Und bald geschah das damals Unvorstellbare, die Inflation kam und das Geld war kaputt. Und Maria gelang es, ihre Kinder und sich durchzubringen.
Als meine Mutter meinen Vater kennen lernte und heiratete, war es selbstverständlich, dass Maria mit zur Familie gehörte. Meine Mutter wurde Vaters selbstverständliche Sprechstundenhilfe in der Zahnarztpraxis. Und Maria wurde zur Seele, bald Großmutter, Oma, die meine Eltern und Geschwister durch dick und dünn begleitete, durch die Freude von drei Töchtern und das Leivon zwei tot geborenen Söhnen, durch Kriegszeiten, durch 30 Jahre intensives Leben. Ich kam als Nachzüglerin erst dazu, da war sie schon erfahrene Oma von 72 Jahren – und räumte mir gleich einen sicheren Platz in ihrem Herzen ein. Sie WAR einfach und was EINFACH. Sie musste weder Tüchtigkeit noch irgendwelche Besonderheiten beweisen. Sie war einfach da in all meinen Kinderängsten, tröstend, heilend saß sie am Fenster und strickte,warf immer mal einen Blick auf die belebte Straße, wo Bergstraße und Sebastian-Merkle-Straße in ineinander laufen. Damals gab es noch viele Fußgänger, Hunde, das Gespann mit den Ochsen von der RotochsenBrauerei, das die Bierfässer zum Rosengarten hochbrachte, wichtige Beamte mit Aktentaschen waren unterwegs, hüpfende, streitende Kinder, Frauen mit Einkaufstaschen und Kinderwagen – und die Oma hat viel gesehen und wenig geredet. Immer wieder hat sie mir Märchen vorgelesen,die ich begierig aufgenommen habe,wehe, sie hat nur ein Komma ausgelassen! Und es gibt ein paar Kinderbilder von mir, immer mit dem gleißchen Jäckle, bunt aus 1000 Wollresten von ihr gestrickt, das geduldig mit mir gewachsen ist und wilde Abenteuer mit mir überstanden hat.

In ganz kostbaren Augenblicken hat sie ein bisschen aus ihrer Zeit mit dem Johannes erzählt, zum Beispiel wenn wir den weiten Weg zum Friedhof gegangen sind um sein Grab neu zu bepflanzen.

Im älter werden erst habe ich dieses EinfachSein wirklich geschätzt. Eine Rarität, so wohltuend und heilsam, in der NachkriegsZeit, als alle Erwachsenen in die Hände gespuckt und angepackt haben!Was für ein Geschenk für das Kind, Jemanden zu haben, mit dem es einfach sein durfte,singen, albern, spielen, träumen, selten reden. Und so hatten wir in innig nahe 15 Jahre miteinander.

Bis sie mit 87 Jahren starb. Einfach und ohne Umstände, während ihrem Mittagsschläfchen aufgehört zu atmen. Und danach war ihre Präsenz noch immer spürbar, so habe ich mich nicht verlassen gefühlt bis ein neues Leben in Heidelberg begann.

Der heutige LichtmessTag

ist einer der besten Tage im Jahr

für einen NeuAnfang

auf welchem Gebiet auch immer.

Dazu du meine Glückwünsche
Herzlich

Uta


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