Menü

Medienfasten

Mittwoch um 10!

Heute ein kleiner Bericht vom Medien-Fasten – vielleicht eine AnRegung?

Am Samstag entdecke ich mit Staunen, dass der Sonntag ohne Termin, VorHaben, Pflichten im Kalender steht – und ich habe die Idee, den zum MedienFastenTag zu erklären.

Das stelle ich mir ganz leicht vor.

Nach einer traumlosen Nacht wache ich neugierig und sehr wach auf. Anscheinend haben sich die Träume schon an den Verzicht gehalten…

In die Küche, das Frühstück zuzubereiten: Ich beobachte, wie jedes Mal, wenn ich in die Nähe vom Radio komme, meine Hand zum Einschaltknopf zuckt.

Frühstück mit Blick auf Futterhäuschen und Meisenknödel: Normalerweise herrscht da Hochbetrieb, heute pickt ein einsamer Spatz seiner Wege. Dann kommt eine Schar Meisen, verteilt sich an die verschiedenen Futterquellen. An einem dicken Knödel futtern zwei einträchtig, am Häuschen droht einer alle anderen weg, die sich mit verlustieren wollen, während eine still und leise an einem kleiner, entfernteren Knödel schaukelt.

Allmählich blitzen die Gedanken: welchen lieben Gruß, welches spannende Gespräch, welche wichtige Information versäume ich gerade? Bis jetzt ist die NeuGier noch nicht drängend, ich kann sie kommen und gehen lassen…

Die Sonne scheint, ich habe vor, wenn die Nebel sich verzogen haben, eine kleine Radtour zu wagen. Nehme ich das Handy mit? –

Klar, zur Sicherheit! –

Aber es geht ja um die Abhängigkeit! –

Stimmt. Wenn es auf Flugmodus geschaltet ist…? –

Auf dem Weg ans Ende der Welt warst Du fast 2.000 KM unterwegs – ohne Handy und….!

Ja, ja, aber das war vor 34 Jahren, da konnte ich noch kein Handy vermissen! –

Und jetzt kannst Du nicht ein Stündchen ohne Handy radeln?

Die Radtour – ohne Handy – ist anstrengend. Es ist erstaunlich kalt – ich „durfte“ ja nicht die Wettervorhersage googeln! – verschärft durch einen eisigen Wind, der mir das Gefühl gibt, hier im ebenen Paartal ständig bergauf zu radeln. Als ich zum Verschnaufen vom Rad hüpfe, zittern die Knie, ich habe mich wohl etwas übernommen. Also trete ich den Heimweg an.

Beim Teekochen wird mir klar, was früher die Zigarette beim Telefonieren war, ist jetzt das Radio beim Kochen – auch wenn es nur Tee ist, den ich koche!

Läuft jetzt nicht die Literatursendung? Da will ich doch gerne die Auflösung vom Rätsel der letzten Woche wissen! –

Heute nicht! –

Neu-Gier!

Später essen mit Genuss. Am Futterhäuschen läuft ein medienunabhängiges Programm mit Meisen – Spatzen, flankiert von Rotkehlchen. Im Knödelhangeln sind die Meisen unangefochtene Meister, die Spatzen im Sich-Wichtig-Machen und Streiten, während die Rotkehlchen beschaulich an den freien Knödeln speisen. Am Boden hopsen die Amseln und futtern die Brosamen der unachtsamen Gäste im Futterhaus.

Da fällt mir ein, am Dienstag habe ich einenTermin in München. –

Welchen Zug nehme ich da? –

Halt, bahn.de ist Medienkonsum! –

Stimmt! OK! Ich schau nur mal kurz was die Wettervorhersage für Dienstag… –

Stop! –

Ach ja, nichts darf ich! –

Warum musst Du heute, am Sonntag, wissen, wie das Wetter am Dienstag wird? –

Planungssicherheit, damit ich weiß, was ich anziehen werde! –

Vergiss es! –

Ungern!

Ich lande sehr deutlich im Hier und Jetzt, wenn ich mich nicht mit der Zugfahrt und Kleiderfrage beschäftigen „darf“! Dann stell ich mal wieder eine neue Teemischung zusammen. Das mache ich sonst nebenher locker aus dem Handgelenk, heute mit Bedacht!

Ein bisschen Musik dabei? –

Auch Medienkonsum! –

Also Spaziergang durch den Garten. Die Vögel zwitschern schon ganz frühlingssehnsüchtig.

Die reden wirklich miteinander. So habe ich denen noch nie zugehört.

Und die Nistkästen werden schon sehr eifrig inspiziert. Den auf der Stange hält ein Spatz besetzt. Ein paar Meisen huschen geschäftig um den Kasten im Baum herum, wollen die eine WG gründen?

Was mache ich denn jetzt? Geschrieben habe ich schon genug heute! Irgendwas Außergewöhnliches!

Vielleicht malen? Oder meine Socken stopfen?

Weder noch! Ich habe ausgehalten, nicht zu „wissen“, was ich tun könnte, sollte, müsste, wollen sollte – und habe nichts getan. Unbehagen, Unruhe kamen auf, die Verunsicherung – was soll das jetzt?

Dann habe ich mich auf den Boden gelegt und gewartet. Warten ist für mich etwas Ungeliebtes, daher auch Ungewohntes. Und da kommen Erinnerungen, Betrachtungen, überraschende Erkenntnisse, Kindheit. Verhaltensweisen, die wohl tatsächlich weise waren, die mich immer wieder in Situationen versetzt haben, um was Verdrängtes auf Wiedervorlage zu bringen? Als Chance, dass da was heil werden konnte?

Mir wird klar, dass ich mich ständig in Hektik und Zeitdruck durch mein Leben gejagt habe. Diese LebensWeise war so gewohnt, dass ich sie unbesehen mit in meinen RuheStand mitgenommen habe. Und jetzt gebe ich mir einfach Zeit! Zum Nichts Tun! Zeit zum Nicht-Wissen, Nicht-Müssen.

Mein Tag Medienfasten hat mir spürbar gemacht, wie ich meinen Umgang mit den Medien dazu ge- oder missbrauche, einen bestimmten Level an ZeitDruck zu halten: Ich muss mal schnell checken, geschwind schauen, heute schon wissen, was morgen und in drei Wochen oder nächstes Jahr….

Es sind Ereignisse aus der frühen Kindheit, die mich so durchs Leben drängen, leiten, stressen –

das zu wissen ist eine Sache, das durch einen Tag des Entzugs zu spüren eine andere.

Mit meinen Wünschen für ein reiche, wache Woche

herzlich nah

Uta


←  zurück

↑  zum Seitenanfang